Bund Deutscher Zupfmusiker LV Thüringen e.V.

Nachbetrachtend hätte ich es mir denken können, es muss was dran sein an dem Aberglauben mit der 13...! Es war der verrückteste Kurs meines Lebens in einem durch Corona bestimmten Jahr der Einschränkungen, Sorgen und Fragezeichen in allen Lebensbereichen, aber auch ganz besonders in Bezug auf die Kultur.

Monatelang beschäftigte unser Team die Frage, können wir ein Zusammentreffen von 65 Zupfern aus vielen unterschiedlichen Regionen und quer durch alle Altersgruppen verantworten, wird es überhaupt rechtlich möglich sein und trauen sich die Teilnehmer nach Kloster Volkenroda? Schon der Druck der Flyer fiel förmlich dem Lockdown zum Opfer und der absolute Wille , den Kurs nicht aufzugeben, aber auch finanzielle Sorgen bestimmten unser Tun schon zu Anfang des Jahres 2020. Wir verschickten das Dokument erstmalig nur digital und stellten es auf der homepage des BDZ Landesverbandes Thüringen ein. Mund zu Mund Propaganda und Abwarten, Vorfühlen, Hygienekonzepte überlegen oder "Doch alles in die Tonne hauen" prägten die Monate April, Mai und Juni.

Dann kamen die Anmeldungen und es wurden immer mehr, auch diverse Erstanmeldungen aus anderen Bundesländern flatterten ins Haus. Die steten aktualisierten Verhandlungen mit dem Kloster, Vertragsentwürfe für die Dozenten, Verordnungen lesen und danach handeln prägten unseren konkreten Planungsstart im Juli. Nebenbei plante ich für insgesamt 65 Teilnehmer einschließlich Dozenten und Betreuer den Inhalt eines Kurses, über dem jeden Tag die Angst schwebte mit so vielen Auflagen klarzukommen, die die inhaltlichen Entscheidungen massiv beeinflussten. Wir durften die Säle nur mit bestimmter Personenzahl belegen, dadurch musste das große Kursorchester 4 kleineren Formationen weichen und die Gruppen entsprechend zusammengestellt werden. Die Notenbeschaffung wurde bis auf den letzten Moment ausgesessen, auch die endgültige Fassung der jeweiligen Stundenpläne unterlag mehrfacher Änderung, die an dem Nervenkostüm zerrte. Mitte August gingen die Briefe an die Teilnehmer auf Reisen und der Vertrag mit dem Kloster wurde unterschrieben. Nun gab es kein Zurück mehr, es sei denn eine weitere staatliche Verfügung legt alles lahm. Für uns galt nun, durchhalten und alles berücksichtigen. Das Hygienekonzept des Klosters sorgte gleich beim Abklären der Unterkünfte für Sorge, denn nur Personen aus max. 2 Haushalten durften in einem Zimmer schlafen, wo sonst 6 -8 Personen, zum Beispiel viele Kinder schliefen. Somit reichten die Kapazitäten für uns alle nicht aus. Im Umkreis suchten wir Hotelzimmer für die Erwachsenen und fanden im Landhotel Furthmühle Unterstützung, was natürlich trotzdem für alle Einschränkungen durch das tägliche Fahren bedeutete. Mit Unterrichtsräumen und Schlafräumen solide vorbereitet, kam dann noch die Frage, wieviele Personen in den einzelnen Unterrichtsräumen gleichzeitig unterrichtet werden dürfen? Da wir ja einen fundierten D-Kurs bis zum C-Kurs Unterricht anbieten und Theorie, Gehörbildung und Musikgeschichte im Gruppengeschehen stattfinden, ging das Jonglieren weiter. Wir haben einen neuen Kurs D 0 dazu genommen, um extreme altersbedingte Unterschiede aufzufangen, aber auch räumlich die Teilnehmer gut im Sinne des Hygienekonzeptes zu platzieren.

Drei Wochen vor Kursbeginn hatten wir 5 weitere Teilnehmer auf der Warteliste, die wir nicht einfach so wie immer noch mit integrieren konnten. Absagen und Vertrösten taten weh. Und dann kam der Oktober immer näher. Wir hatten ja schon im Vorfeld Unterlagen zur Absicherung bezüglich eventueller Krankheitssymptome vor Kursbeginn und während der Zeit, sowie den Hygieneregeln usw. verschickt, so dass klar wahr, auch als Leiterin sollte ich möglichst keinen Infekt haben. Ich war sehr vorsichtig und vorsorglich auch bei meiner Ärztin am Montag zuvor zur Kontrolle.

Dann kamen die Meldungen, dass sich immer mehr Risikogebiete abzeichnen, u.a. auch die Stadt Wuppertal, aus der wir einige Dozenten auf unserem Kurs erwarteten. Wir verfolgten alle Zahlen jeden Tag und gaben unseren Dozenten und Teilnehmern unserem Wunsch verstärkt Ausdruck, nur mit einem Test und entsprechendem negativem Testergebnis zum Kurs zu kommen. Was wäre, wenn uns jetzt gleich mehrere Dozenten spontan ausgefallen wären?

Am Vorabend des 17. Oktobers 2020, unserem Kursbeginn erreichte mich noch die traurige Nachricht, dass in einem Nordhäuser Gymnasium 400 Schüler in Quarantäne mussten, da sie mit einem Lehrer Kontakt hatten, der positiv getestet wurde. Auch zwei unserer Kursteilnehmer betraf dies, die daraufhin traurig ihre Ferienzeit daheim verbringen mussten.

Am nächsten Morgen brachen wir dann ganz früh auf, um vor Ort in 3 Gruppen die Anreisenden zu begrüßen. Im Gepäck hatten wir neben den üblichen Utensilien viele Mund- Nasen- Masken und ausreichend Desinfektionsspray. Auf der Fahrt quälten mich die Gedanken, machen wir das richtig.? Wir haben auch viele ältere Teilnehmer dabei. Nur ein Fall und wir werden ein Hotspot? Doch dann sah ich die strahlenden Gesichter, Teilnehmer, die ganz freiwillig ihre Masken überzogen, als sie aus dem Auto stiegen und voller Vorfreude in der Kirche zur Begrüßung Platz nahmen. Auch meine Worte zu Beginn entsprachen natürlich unserer Zeit im aktuellen Infektionsgeschehen und dem angepassten Kurs mit allen Besonderheiten, Einschränkungen und Ängsten. Ab da lag über jedem Tag die Sorge, wie wird es? Geht alles gut? Nach dem Rundgang über das Gelände für die Neuankömmlinge bestand für uns die Zeit zum Einrichten der Schlaf- und Unterrichtsräume. Bis zum Mittag war alles eingerichtet und die erste Mahlzeit, tischweise aufgeteilt mit unseren Zimmerpartnern, wartete auf uns. Langsam fiel die Spannung von unserem Organisationsteam ab und der Startschuss mit den ausgeteilten Stundenplänen, zugewiesenen Unterlagen, Räumen und Konzepten war für alle gegeben.

Ich freute mich nun auf meinen Unterricht und nun schlug die 13 zu. Mein Telefon klingelte - das GESUNDHEITSAMT NORDHAUSEN! Mir wurde ganz schlecht. Ich musste mich sofort in häusliche Quarantäne begeben, es half kein Diskutieren und kein Bitten. Ich war am vergangenen Montag im Wartezimmer mit einem später positiv getesteten Patienten länger als 10 min in einem Raum. Ich konnte nur noch heulen, mir zog es den Boden unter den Füßen weg. Besser hätte es kein Drehbuchautor schreiben können. Wir besprachen uns kurz mit den Dozenten und mit unserer "guten Seele der Finanzen und Organisation", Susann Schrader. Sie übernahm auch meinen Job der Leitung noch und Juliane Byrenheid das Orchester, welches ich leiten wollte. Das Dozententeam wurde zusammengerufen und alle Dozenten erklärten sich sofort bereit zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Die Gitarrenschüler wurden aufgeteilt. Ich wollte alles andere über Telefon oder Computer regeln. Fakt war, der Kurs musste weitergehen, auch wenn es mir fast das Herz raus riss.

Also wurden alle Dinge wieder eingesammelt und es galt in Kürze die richtigen Unterlagen vor Ort zu lassen, da ich ja auch einen D2 Kurs in Theorie und Gehörbildung durchzuführen hatte. Auf dem Weg nach Hause meldete sich Juliane und sagte mir, sie versuchen mich digital dazu zu holen. Gesagt getan... Der Dank geht an unsere beiden "Techniker" Martin Byrenheid und Denis Schmitz. Der Beamer wurde geholt, etwas probiert und so wurde ich im Oberen Amtshof an die Wand projektiert und dort konnte man mich auch weithin außerhalb des Raumes unterrichten sehen. Auf diesem Weg habe ich einen D2 Kurs über mein Laptop unterrichtet, einen C-Kurs auf sein Dirigat vorbereitet und einen Einzelschüler an der Gitarre unterrichtet. Ich wurde beim Vorspiel mit dazu geschaltet sowie beim Dozententreff. Somit konnte ich durch das Schlüsselloch ein wenig die Stimmung einfangen, aber oft kämpfte ich mit den Tränen. Meine Kursteilnehmer fragten täglich über die sozialen Medien an und schickten mir Fotos. Sie bescheinigten mir, dass alles läuft und top vorbereitet ist, nur dass die Seele fehlt. Täglich sprachen wir uns alle im Organisationsteam gut ab, was ich von zu Hause aus erstellen konnte und vor Ort ausgedruckt wurde. Zum Beispiel die neue geforderte Aufteilung in zwei Gruppen im Speiseraum und damit die Essenszeiten, die sich mehrfach änderten.

Die Teilnehmerkonzertlisten in drei Räumen. Die Listen für die Improvisationskurse mit Marijke und Michiel Wiesenekker. Das betraf auch die Formulare für die Konzerte unserer Dozenten in der Kirche bis hin zu den Orchesterkonzerten, die es zu organisieren galt. Inzwischen stellte sich heraus, dass mein Test negativ war und der Kurs ab Dienstag wieder eine Sorge weniger hatte. Leider durfte ich trotzdem nicht wieder dazu stoßen. Meine Quarantäne endete weit nach Kursende. Susann Schrader meisterte die Doppelfunktion mit Bravour und erkämpfte in vielen Gesprächen dort vor Ort, dass der Kurs weiter wie geplant laufen konnte.

Die in der Region ständig steigenden Infektionszahlen bedingten ständig weitere neue Vorgaben, die alle in nervlicher Anspannung hielten und auf die es richtig zu reagieren galt. Zum Ende der Woche wurde auch noch der Landkreis zum Risikogebiet erklärt und nur durch das wirklich vorbildliche Verhalten aller Kursteilnehmer zu jeder Zeit, durfte der Kurs bis zu seinem Abschluss weiter vor Ort bleiben. Es ist alles gut gegangen und alle sind froh, dass sie trotz allem so harmonische und erfolgreiche Kurstage erleben durften. Glücklich berichteten sie, wie Gerhard Reichenbach einfach göttlich im ersten Konzert des Kurses seine Zuhörer in seinen Bann zog. Im ersten Teil hörten die Kinder und Jugendlichen zu. Im zweiten Teil spielte er nur für die Erwachsenen. 35 Zuhörer waren nur erlaubt, so dass auch keine Bewerbung der Konzerte stattfinden konnte. Für die Zupfernight galt das gleichermaßen. Karoline und Christian Laier, Denis Schmitz, sowie Marijke und Michiel Wiesenekker verzauberten am "Zupferafternoon" die Kinder und Jugendlichen und in der Zupfernight die Erwachsenen mit Eigenkompositionen und tollen Arrangements. Künstler und Zuhörer waren gleichermaßen ergriffen von diesem schönen Moment, wieder live Musik zu gestalten und zu erleben.

Die Kinderbetreuung war in diesem Jahr auch sehr eingeschränkt, aber es gab kein Murren oder Zicken, denn allen Kindern und Jugendlichen hatte der Ernst der Situation durch mein Fehlen nicht bewusster gemacht werden können. Die Betreuer Ádám Kovács und Henriette Böcke machten das Beste aus der eingeschränkten Situation und kümmerten sich auch rührig um die ganz Kleinen. Am Samstag spielten dann alle Orchester ihre einstudierten Stücke mit wechselnden Dirigenten unter der Leitung von Paraskevi Kontogianni, Juliane Byrenheid, Karoline Laier und Christian Laier! Die Aufführungen konnten leider nur ohne Publikum stattfinden. Wieland Gruppe haben wir es zu verdanken, dass in den nächsten Tagen die bearbeiteten Videomitschnitte bei den Teilnehmern in den digitalen Postkasten flattern.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen Dozenten (bei den bereits Genannten fehlt noch Anna Kermer), Betreuern und Teilnehmern bedanken, dass sie unseren Kurs auch in meinem Sinn weitergetragen haben. Das hat uns alle noch mehr zusammengeschweißt und ich bin froh, dass wir den Mut, die Geduld und die Stärke hatten ... Unser Dank gilt auch der Thüringer Staatskanzlei, die seit Jahren unseren Kurs mit Thüringer Fördermitteln unterstützt. (Daniela Heise)